Im Herzen ein Diplomat

Zum Tode von André Siefke. Der langjährige Vorstandsvorsitzende des CMF hat den Kampf gegen eine lange Krankheit verloren. In seiner aktiven Verbandszeit und als Agenturchef hat er die Content-Marketing-Branche maßgeblich geprägt.

Von Christian Fill

Ein Montagmorgen am Flughafen München. Zu Dutzenden schauen mich zwei Gesichter an, vom Titelbild der W&V, aus vielen Aufstellern heraus. Es ist das Gesicht von André Siefke und mein eigenes – darunter, fett, die offensive Schlagzeile „Das Forum schlägt zurück“.

Als ich André endlich am Telefon habe, hat er die Ausgabe des Branchenmagazins schon längst. Wie üblich hervorragend und als Erster informiert.

Es ist März 2016. Was sind wir stolz! Es ist uns gelungen, die Branchendebatte prominent neu zu entfachen, wer die Deutungshoheit über das Content-Marketing im deutschsprachigen Raum hat. Die Antwort geben wir – natürlich das Content Marketing Forum.

Die Zeichen erkannt

André war seit 2010 Vorstandsvorsitzender des CMF; ich sein Vize. Im Grunde eine richtungsweisende Kombination, der Marketier und der Journalist, der Kern dessen, was Content-Marketing ausmacht. André konnte es sich auf die Fahne schreiben, dass er die Zeichen der Zeit erkannt hatte, dass sich die der Tradition verhafteten Corporate Publisher den Mechanismen im Marketing öffnen mussten. 

Den Strategie- und Namenswechsel vom alten „Forum Corporate Publishing“ hin zum neuen Content Marketing Forum – André trieb ihn voran. Er wusste um das Konfliktpotenzial, das in dieser Aufgabe verborgen war, doch er musste es nicht scheuen, denn er hatte den Vorstand – von denen einige heute noch im Verband aktiv sind – geschlossen hinter sich.

Der Konflikt, der ausgefochtene, war wichtig für André, ebenso wie der Konsens, der am Ende stehen musste. Detailverliebt und mit großer Ausdauer konnte er Debatten führen, bis die gemeinsame Stoßrichtung feststand. Ich liebte seinen Wortwitz (sogar, wenn er mich betraf); alle im Vorstand liebten seine Kenntnis guter Weine, mit denen wir zu später Stunde den Konsens besiegelten.

Es war mehr als ein Konsens. Es war Loyalität.

Auf Kurs gebracht

Branchenmedien warfen André Siefke beim Führen des Verbands Taktieren und Zögerlichkeit vor. Zu Unrecht: André war als Vorstandsvorsitzender ein Diplomat, einer der „hamburgisch denken“ konnte, womit er gerne die Verbandsräson umschrieb, für die der alltägliche Wettbewerb und auch persönliche Vorlieben hintenanstehen mussten. „Da freu ich mich jetzt schon nicht drauf“ war sein Code für Gespräche, die er lieber nicht hätte führen wollen, meist zeitraubende Diskussionen, immer intensive Argumentationen.

André führte sie trotzdem.

Denn nur so konnte es gelingen, weit mehr als 100 Agenturen auf Kurs zu bringen. Wo einst die Kommunikation auf Kundenmagazine fokussiert war (und deren wenige digitale Beiboote), öffneten sich die Agenturen mit zunehmender Geschwindigkeit einer Vielzahl von Medien und Kommunikationskanälen.

Inklusive einer stärkeren Orientierung hin zum Marketing.

Das wiederum hatte André Siefke von der Pike auf gelernt. Sein BWL-Studium krönte er mit der Promotion bei der Münsteraner Marketinglegende Heribert Meffert. Danach leitete er in Hamburg das Corporate-Publishing-Geschäft des ehrwürdigen Verlags Hoffmann und Campe. Anfang 2012 wechselte er als Geschäftsführer für Content Marketing zu KircherBurkhardt, der heutigen C3, nach Berlin. 

Angeblich, so will es die Legende, sollen die beiden für ihre Grenzen negierende Kreativität gerühmten Agenturlenker erst durch ihn von der Existenz von Aktenordnern erfahren haben.

Die Branche horchte erneut auf, als André im April 2014 Bissinger plus (heute KNSK) mit aus der Taufe hob und als geschäftsführender Gesellschafter führte. 2018 wechselte er zu PRH Hamburg Kommunikation und landete im schwierigen ersten Coronajahr 2020 den nächsten, leider seinen letzten Coup: Gemeinsam mit PRH-Chef Frank Ohlsen und Ralf Mense, Geschäftsführer der Digitalagentur Mensemedia, gründete er die Agentur Code Red mit Sitz in Düsseldorf.

André Siefke verstarb am Samstag, den 6. August, im Alter von nur 55 Jahren. Er musste sich einer geduldig ertragenen Tumorerkrankung geschlagen geben. André Siefke hinterlässt eine Frau und einen Sohn. 

Wie gerne würde ich mit ihm einmal noch anstoßen, auf unsere Zeit, auf alles, was war, und auf alles, was kommt.

Lesen Sie hier einen Nachruf von Peter Rensmann, Geschäftsführung Marketing und Sales Jahreszeiten Verlag: https://www.cpmonitor.de/news/detail.php?rubric=News&nr=60085