Für mehr Nachhaltigkeit in der Film- und Fernsehbranche: Green Consultant Chiara Noack im CMF Interview

Weniger Flüge, mehr Bahnfahrten. Mehr LED Beleuchtung, mehr Elektrofahrzeuge, Verzicht auf Plastik-Geschirr am Set: Nicht erst seit „Fridays for Future“ möchte auch die Film- und Fernsehindustrie ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren.

Green Consultants sind in diesen Zeiten sehr gefragt und können sich vor Aufträgen kaum retten. Chiara Noack ist studierte Produzentin und hat ihre Abschlussarbeit an der FIlm-Uni Babelsberg geschrieben. Das Thema: „Nachhaltige Produktion“. Nach dem Studium hat sie sich zur Green Consultant fortbilden lassen – und hat Großes vor. Die Zeiten, in denen eine deutsche Tatort-Produktion mit 22 Drehtagen rund 100 Tonnen CO2 ausstößt und ein James Bond Blockbuster weit mehr als 2.000 Tonnen sollen künftig der Vergangenheit angehören.

CMF: Green Consultant – ein neuer Begriff, eine neue Berufsbezeichnung. Wie wird man Green Consultant?

CN: Ich habe meine Fortbildung zum Green Consultant über die IHK München absolviert. Parallel bietet auch die Hochschule der Medien in Stuttgart diese Ausbildung an. Es geht vor allem darum, zu verstehen, welche Prozesse angestoßen werden müssen, damit ein allgemeines Verständnis in allen Gewerken der Film- und Fernsehbranche für Green Production entsteht. Und dann geht es natürlich darum, die so genannten CO2 Hotspots zu identifizieren und Alternativen zu finden, Ressourcen schonender und mit weniger CO2 Ausstoß zu produzieren. Vermittelt werden ein allgemeines Grundverständnis für die Klimakrise, die politische Lage und Gesetze sowie ganz konkret Wissen über die einzelnen Gewerke einer Filmproduktion im Kontext zu Reiserouten und Treibhausgasen.

CMF: Wie kann man sich deinen Berufsalltag als Green Consultant vorstellen?

CN: Jeder Tag ist absolut unterschiedlich. Zu Beginn stehen viele Gespräche mit Beteiligten der Produktion an. Man bespricht die Produktion von Anfang bis Ende durch und findet heraus, auf welche nachhaltigen Maßnahmen der Fokus gelegt werden muss und wo die CO2 Hotspots liegen. Und dann geht es daran, alle Crew-Mitglieder an Bord zu holen und auf nachhaltigere Maßnahmen aufmerksam zu machen. Diese Kommunikation ist einer der größten Bereiche. Während des Drehs kommen wir gelegentlich ans Set und beraten bei Bedarf noch einmal zu gewissen Themen oder Problemen. Im Nachgang berechnen wir die CO2 Bilanz der Projekte und schreiben einen Abschlussbericht. Von Schreibtisch-Arbeit bis hin zum Set ist also alles dabei.

CMF: Welche Produktionen hast du in der Vergangenheit unterstützt? Wer zählt zu deinen Kunden?

CN: Tatsächlich betreue ich von Serien-Projekten über Dokumentationen bis hin zu Werbefilm-Produktionen diverse Projekte, aber genau das macht es sehr spannend, da jeder Bereich noch mal seine Besonderheiten hat, was den Produktionsablauf angeht. Teilweise berate ich aber auch mit einigen Kolleginnen zusammen nicht nur individuelle Projekte, sondern ganze Produktionsfirmen darin, wie sie ihre Prozesse ganzheitlich nachhaltiger gestalten können. Dabei konzentrieren wir uns gerade vor allem auf die Werbefilm-Branche.

CMF: Wo in der Film- und Produktionsbranche wird am meisten emittiert?

CN: Pauschal kann man das nicht sagen, aber diverse Auswertungen und persönliche Erfahrungen deuten ganz klar auf den Transport und Reisen hin. Seien es Produktionen, die durch Ausland-Drehs viele Flüge beinhalten oder auch regionale Produktionen, die einfach viele Fahrzeuge mit Equipment, Set-Bau und vielem mehr von Location zu Location bewegen. Und dann werden je nach Projekt wahnsinnig viele verschiedene Materialien für Sets und Kostüme beschafft und gebaut – hier geht es dann vor allem um Ressourcen und wie man die drei Rs – ReUse, Reduce, Recycle – implementieren kann.

CMF: Was waren bislang deine größten Herausforderungen und wie hast du sie gelöst?

CN: Die größte Herausforderung ist immer wieder, dass Crews in dem ganzen Produktions-Trubel das Thema Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren. Ich produziere selbst auch immer noch und kenne nur zu gut, wie stressig es plötzlich werden kann und dann rücken gewisse Themen schnell in den Hintergrund. Wichtig ist es als Green Consultant dabei, immer zu zeigen, dass wir alle gemeinsam an der Sache arbeiten und unser Beste im Rahmen der Möglichkeiten geben. Die Möglichkeiten, was Green Production angeht, sind schier endlos und können einen schnell überfordern. Deshalb geht es immer darum, Maßnahmen Step by Step zu implementieren. Dabei das gesamte Team mitzunehmen und auch die Fortschritte und Erfolge zu kommunizieren, ist mit das Wichtigste.

CMF: Wie sieht die Filmproduktion deiner Meinung nach in zehn, 20 Jahren aus und wie wünschst du sie dir?

CN: Ich wünsche mir, dass in unserem gesamten System ein Wandel passiert, in dem sich das Bewusstsein für Ressourcen und wie wir sie einsetzen langfristig verändert. Immer wieder spielt auch der Zeitdruck eine Rolle, so dass unser Team gar keine Zeit hat, sich beispielsweise mit alternativen, nachhaltigeren Materialien oder neuer technischer Ausrüstung auseinander zu setzen oder sich durch Second Hand Plattformen nach den geeigneten Requisiten zu scrollen. Alles muss immer schneller gehen und da wünsche ich mir etwas Entschleunigung. Und oft sind viele schon bereit, einen neuen Weg zu gehen, aber die Infrastruktur ist einfach noch nicht so weit. Es gibt beispielsweise schon großartige Alternativen zu herkömmlichen Generatoren, aber diese sind in der Produktion aufwendig, teuer und es gibt recht wenige auf dem Markt. Dann muss man als Produktion gezwungenermaßen auf die „alte“ Technik zurückgreifen. Trotzdem merkt man in der Branche, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit immer größer wird und deshalb bleibe ich auf jeden Fall zuversichtlich.

CMF: Für mehr grüne Produktionen dürfe sicher auch das neue Label „Green Motion“ sorgen. Wer verleiht es und wer bekommt es?

CN: Das Label „Green Motion“ wurde im Januar 2022 vom Arbeitskreis Green Shooting ins Leben gerufen, der aus diversen Branchenvertreter:innen des Film-, TV- und VoD Marktes besteht. Wenn man mindestens 18 der 21 Muss-Vorgaben erfüllt, erhält man das Label. Hierzu muss man sagen, dass diese Mindest-Standards im vergangenen Jahr auf reiner Selbstverpflichtung von einigen Sendern, Produktionsfirmen und Filmförderungen basierten. Seit Januar 2023 soll es im Schulterschluss des BKM mit den Filmförderungen in Deutschland und dem Arbeitskreis Green Shooting vereinheitlichte ökologische Mindest-Standards geben, die für alle geförderten Produktionen gelten. Das wird dieses Jahr auf jeden Fall einiges verändern und einen großen Fortschritt in Sachen Green Production bringen.